Körperwahrnehmung nur in Ausnahmefällen
Wir leben in, durch und mit unserem Körper. Doch nehmen wir ihn auch wahr? Im normalen Alltag kommen uns Körperwahrnehmungen selten ins Bewusstsein. Denn unser sensorisches Nervensystem dient nicht primär dazu, dass wir unseren Körper wahrnehmen. Körperwahrnehmung ist eher ein Nebenprodukt der Bewegungssteuerung, die zum allergrössten Teil unbewusst abläuft. Die bewusste Körperwahrnehmung ist also die Ausnahme und nicht die Regel. Körperwahrnehmungen kommen nur in unser Bewusstsein, wenn die unbewusste Steuerung mit einer Situation überfordert ist, weil diese ungewöhnlich oder sehr bedeutsam ist, beispielsweise bei Schmerzen, Wohlgefühl oder beim Erlernen einer neuen Bewegung. Oder aber, wenn wir uns bewusst entscheiden, einen Körperbereich wahrzunehmen.
Abbild oder Konstrukt?
Es ist nicht so, dass uns die Körperwahrnehmung ein objektives Bild unseres Körpers liefern würde. Wie all unsere Sinneswahrnehmungen ist auch die Körperwahrnehmung ein subjektives Konstrukt aus verschiedenen Elementen: Den sensorischen Informationen, der emotionalen Bewertung sowie der aktivierten Erinnerungen und Vorstellungen.
Was von den Sensoren ins Gehirn geschickt wird, sind lediglich elektrische Signale. Erst unser Gehirn macht daraus die Wahrnehmung eines Zustandes, einer Bewegung, einer Position, eines Kontaktes usw. Biologisch betrachtet, dient die Körperwahrnehmung dazu, unser Überleben zu ermöglichen, d.h. unser Nervensystem mit Informationen zu versorgen, die es uns erlauben unsere Bedürfnisse zu befriedigen und uns in sich verändernden Umweltbedingungen zurecht zu finden.
Fehlende oder täuschende Wahrnehmung
Ist eine Körperregion mit negativen Erinnerungen behaftet, kann es sein, dass unser Gehirn die bewusste Wahrnehmung dieser Region gar nicht zulässt, sie aus unserem Bewusstsein ausgeblendet wird. So braucht es beispielsweise nach Verletzungen immer einige Zeit der bewussten Reintegration des betroffenen Körperbereiches, bis er wieder normal wahrgenommen werden kann. Es kann auch vorkommen, dass wir etwas wahrzunehmen glauben, dass in Wirklichkeit gar nicht so ist. Füsse stehen nicht, wie wahrgenommen, parallel zueinander, sondern in einer V-Stellung oder Schultern liegen nicht auf den Rippen, sondern sind hochgezogen. Ich kann sogar glauben, fremde oder künstliche Körperteile seien meine eigenen. Wissenschaftliche Experimente mit Cyberbrillen haben solche Fehlwahrnehmungen nachgewiesen. (am)
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